Gründungsveranstaltung des Kinder- und Jugendparlaments Neukölln

Veröffentlicht am 10. Januar 2024

Inmitten gespannter Erwartung fand die lang ersehnte Gründungsveranstaltung des Kinder- und Jugendparlaments in Neukölln statt. Junge Menschen versammelten sich, um gemeinsam ihre Stimmen zu erheben und in Zukunft in Neukölln mitzureden. Von inspirierenden Reden bis hin zu lebendigen Workshops - dieser Tag war geprägt von Engagement, Ideenreichtum und dem festen Willen, positive Veränderungen für Neukölln zu bewirken.

Inhaltsverzeichnis

Von den Kindern und Jugendlichen ist kein Laut zu hören. Alle Aufmerksamkeit ist der Bühne zugewandt, wo gerade erklärt wird, welcher Gruppe sie zugehören – Stern, Sonne oder die Welt? Es ist für alle ein aufregender Tag, denn am 20. November wird nicht nur der Tag der UN- Kinderechtskonvention, sondern auch die Eröffnung des Kinder- und Jugendparlaments gefeiert. Fast 100 Personen finden sich in der Turnhalle des Campus Rütli zusammen, die von den Helfer*innen feierlich geschmückt worden ist. An der Wand hängen Banner und Luftballons, Plakate und blaue Girlanden, die von den Kindern bestaunt werden als sie am Eingang mit einem Willkommenstütchen empfangen werden. Darin finden sich mit dem Logo bedruckte Stifte, ein Heft, eine Wasserflasche und allerlei andere Kleinigkeiten, über die sie sich freuen.

Die Entstehung des Parlaments

Dieser Tag war ein schon lange geplantes Ereignis: Bereits 2019 fanden sich Jugendliche zusammen mit dem Ziel mehr Jugendbeteiligung in ihrem Bezirk zu erreichen. Als Vorbild diente das Kinder- und Jugendparlament in Charlottenburg-Wilmersdorf, das den Bezirk bereits seit 20 Jahren maßgeblich mitgestaltet. Auch in Neukölln war den Jugendlichen klar, dass Politik nicht ohne junge Menschen gemacht werden kann und es ein Format braucht, in dem sie dies auf altersgerechte Art und Weise tun können.

Erste Sitzung und Aufregung

Es kostete einiges an Zeit und Nerven, die Corona-Pandemie zog den Prozess weiter in die Länge, aber vier Jahre später ist der Tag gekommen: Die Kinder und Jugendlichen, die sich am 20. November 2023 zu einer ersten Sitzung zusammenfinden, waren teils in ihren Einrichtungen und Schulen gewählt worden, andere hatten sich selbst gemeldet oder wurden ausgelost. Allen merkt man die Aufregung und Freude an. Die Grundschülerin Anita erzählt aufgeregt, dass sie die ganze Nacht nicht schlafen konnte, weil „heute sowas Großes beginnt!“. Die jungen Menschen, die zwischen sieben und zwanzig Jahre alt sind, kommen aus unterschiedlichen Kiezen, haben unterschiedliche Migrationshintergründe und Familiengeschichten. Was sie verbindet, ist die Lust am Politik machen.

Politische Ziele und Ideen

Am Nachmittag sind zum Festakt diverse Politiker*innen und Journalist*innen eingeladen, doch der Vormittag gehört allein den jungen Menschen selbst, die sich in Workshops zusammenfinden, sich kennenlernen dürfen und erste politische Impulse geben. Dabei ist neben der spielerischen Einführung, was das Kinder und Jugendparlament überhaupt ist, die erste Erarbeitung von politischen Zielen wichtig. Die Antworten der Kinder und Jugendlichen sind vielseitig, doch erkennt man ein klares Muster: Soziale Gerechtigkeit.

Vielfältige Themen und Engagement

Bereits die Grundschüler*innen sorgen sich um die steigende Obdachlosenrate. „Ich hab einfach ein bisschen Angst vor den Obdachlosen und den Drogenabhängigen. Ich weiß sie können nichts dafür, deswegen find ich sollte man da was tun“, sagt einer der jungen Parlamentarier, ein entschuldigendes Lächeln auf den Lippen. Er ist neun Jahre alt und besucht die Theodor-Storm-Grundschule am Hermannplatz. Der Rest der Gruppe nickt zustimmend. „Man könnte ja das Cafeteria-Essen verteilen, da bleibt immer so viel übrig und muss weggeschmissen werden!“, ruft ein Mädchen in die Gruppe. Auch bei den Kleinsten wird angeregt überlegt: „Ich fahr so gern Fahrrad“, erzählt einer der Grundschüler „aber niemand nimmt Rücksicht auf uns! Weil wir Kinder sind. Es sollte Kinderfahrradwege geben!“. Es zeigt sich, dass selbst die Jüngsten sich besorgt über den Klimawandel äußern, sie wünschen sich mehr Bäume und Fahrradwege. Auch in der mittleren Altersgruppe werden angeregt Ideen gesammelt. Nach erstem Kennenlernen wird in Kleingruppen diskutiert. „Wir schlagen neue, saubere U-Bahnhöfe vor“, präsentiert Lene vor der Gruppe „ohne Werbung, sondern mit Kunstprojekten von den örtlichen Schulen“. Auch die anderen stellen ihre Ideen vor: Mehr Basketballplätze mit verstellbaren Körben, mehr Obdachlosenhäuser, mehr Straßenlaternen für ein sichereres Stadtgefühl, mehr Reinigungskräfte einstellen, weil die Schulen oft so dreckig sind, die aber auch besser bezahlt werden sollen. Am Ende wird abgestimmt, welcher Punkt ihnen am wichtigsten ist und dem Plenum vorgetragen werden soll. Der Ruf nach mehr Obdachlosenhäusern gewinnt, ähnlich wie in anderen Gruppen.

Nach den Workshops werden die jungen Menschen in eine Mittagspause entlassen. Das Essen wurde gekocht und serviert von der Schülerfirma der Schule am Zwickauer Damm. Es sind Neuntklässler, die an ihrem freien Wochenende in die Schule gekommen sind, um das Essen für Montag vorzubereiten. Geld kriegen sie keines, aber dafür machen sie es auch nicht. Sie haben Spaß dabei, sie lernen so ganz andere Dinge als im Unterricht. Das Projekt des Kinder- und Jugendparlaments nehmen sie als spannend wahr und finden es „cool, dass wir für sowas, was ja auch für uns gut ist, Catering machen dürfen.“, sagt einer der Schüler.

Feierlicher Festakt und inspirierende Reden

Nach der Mittagspause beginnt der feierliche Festakt. Neben anderen Bezirkspoltiker*innen sind der Bezirksbürgermeister Martin Hikel, die Stadträtin für den Geschäftsbereich Jugend Frau Nagel und die Stadträtin für den Geschäftsbereich Bildung, Kultur und Sport Frau Korte dabei. Die Drei halten eine Rede, erzählen von den Freuden und Herausforderungen des politischen Engagements, sprechen Worte der Zuversicht und verteilen Ratschläge. Alle betonen, wie wichtig es ist, schon früh mit Politik in Berührung zu kommen: „Irgendwann verändert ihr vielleicht die Politik, nicht nur im Kinder- und Jugendparlament, sondern auch als Erwachsene, in Erwachsenenparlamenten“, sagt Herr Hikel, die Kinder klatschen. Nach den Reden wollen viele ein Selfie mit dem Politiker, einer der Schülerinnen erzählt, dass es „voll nice ist, dass der Bürgermeister und so da ist. Da fühlt sich das so wichtig an.“

Stolz und Zusammenhalt

Spricht man mit den jungen Menschen über den Tag, so schwingt immer auch eine Portion Stolz mit: Sie sind dabei, wurden gewählt, können etwas verändern und haben Gleichgesinnte gefunden. Nach dem Festakt haben die Kinder und Jugendlichen noch Zeit, sich mit Spielen und Bastelaktionen besser kennenzulernen. Eine Gruppe erzählt sich gegenseitig, was sie als Klassensprecher*in schon alles so gemacht haben und tauschen Tipps aus um trotz strenger Schulleitungen Ideen umzusetzen.

Eins zeigt sich bereits an diesem Tag: Die jungen Menschen sind nicht nur stolz andere Neuköllner*innen in ihrem Alter zu vertreten, sondern haben bereits zahlreiche Impulse, wie sie das anstellen möchten. Doch nicht nur das, schon an diesem ersten Tag wurden Freundschaften geschlossen und neue Kontakte geknüpft, für viele ist es ein schönes Gefühl unter Menschen zu sein, die – ähnlich wie sie selbst – Lust haben, etwas zu verändern.

Reportage von Fee Griebenow, die 2018 Mit-Gründerin der Initiative für ein Kinder- und Jugendparlament in Neukölln war. Sie studiert Politikwissenschaften in Berlin und ist seit 2022 als freie Autorin tätig.